Der richtige Mann an der richtigen Stelle
News vom 05.12.2016
Prof. Dr. Werner Vogel leitete von 1990 bis 1995 das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Jetzt ist er im Alter von 85 Jahren verstorben. Archivarin Ingrid Männl erinnert an einen großen Integrator

„Man spricht sich“ – mit diesen Worten stieg Werner Vogel aus meinem Auto, als ich ihn am 6. September 2016 nach unserem diesjährigen Betriebsausflug die kurze Strecke vom Geheimen Staatsarchiv bis zur U-Bahn-Station Podbielskiallee mitgenommen hatte. Es war nicht zu übersehen, dass ihn der Ausflug nach Wustrau sehr angestrengt hatte, aber auch nicht vorauszuahnen, dass er schon wenige Wochen danach einer schweren Krankheit erliegen sollte.
Ich erinnere mich noch genau, auf welch freundliche Weise mich Prof. Vogel an meinem ersten Arbeitstag im Geheimen Staatsarchiv, am 2. Januar 1989, durch das Haus führte und den Mitarbeitern als die neue Referendarin vorstellte. Er war mein Ausbildungsleiter und unterrichtete mich selbst in brandenburgischer Landesgeschichte und frühneuzeitlicher Paläographie. Seine aufmunternde Art machte mir nicht nur den Einstieg in das Geheime Staatsarchiv, sondern auch den Übergang von der kleinen Universitätsstadt Gießen in das große, damals noch in Ost und West geteilte Berlin leicht. Am 1. Oktober ging ich an die Archivschule nach Marburg und am 9. November fiel in Berlin die Mauer.
Als ich im April 1991 in das Geheime Staatsarchiv zurückkehrte, hatte sich auch dort vieles verändert. Prof. Vogel war inzwischen Direktor geworden und übertrug mir nach Abschluss der Ausbildung sein eigenes, bis dahin vakant gebliebenes Referat mit Zuständigkeit für die Bestände des Brandenburgischen Provinzialarchivs. Die Wiedervereinigung hatte das Archiv vor eine Herkulesaufgabe gestellt. Die im Zweiten Weltkrieg ausgelagerten, der Staatlichen Archivverwaltung der DDR unterstellten und in Merseburg aufbewahrten Bestände des Geheimen Staatsarchivs waren nämlich in die Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gekommen. Nun galt es, rasch einen geeigneten Magazinstandort in Berlin zu finden, 25 laufende Kilometer Akten von Merseburg dorthin zu transportieren und die Menschen aus zwei Dienststellen in West und Ost zusammenzuführen. Wir alle, die Dahlemer und die Merseburger Mitarbeiter, hätten uns für die Bewältigung dieser großen Herausforderungen keinen besseren Chef als Werner Vogel vorstellen können. Auch innerhalb der Stiftung sahen wir es als einen großen Glücksfall an, dass „unsere“ Wiedervereinigung in den Jahren 1993/94 so zügig und reibungslos von statten ging.
Diese bewegten Zeiten lebten in der Erinnerung noch einmal auf, als er sich vor einem Jahr mit Waltraud Elstner, der für den Aktentransport aus Merseburg verantwortlichen Mitarbeiterin, in meinem Dienstzimmer für das SPK-Magazin interviewen ließ. Das Heft hatte sich vorgenommen, das 25. Jubiläum der Wiedervereinigung der Sammlungen des Preußischen Kulturbesitzes in 25 Porträts zu erzählen. Ohne zu zögern hatte er dem Vorhaben gleich begeistert mit den Worten „Das finde ich eine gute Idee“ zugestimmt.
Ohnedies war ja seine Verbindung zum Geheimen Staatsarchiv in all den Jahren nach seiner 1995 erfolgten Pensionierung nie abgerissen. Anfangs kam er regelmäßig, später nur noch sporadisch ins Haus, um seine eigenen Forschungen, zuletzt zur Blutbibel des Freiherrn von der Trenck, fortzuführen. Er nahm weiterhin an den Betriebsausflügen und Weihnachtsfeiern teil und zeigte sich interessiert an dem Fortgang der Arbeiten im Archiv. Am 6. September sprach er mit mir in Wustrau über die Johanniteraufschwörungstafeln, die er mir als Referendarin gerollt im Magazin gezeigt hatte und die nunmehr mit Spendengeldern restauriert werden können. Wie gerne hätte ich mit ihm noch über die „Wittelsbachischen Urkunden“ gesprochen, deren weitere Bearbeitung er zugunsten seines Engagements für das „Haus Brandenburg“ in Fürstenwalde zurückgestellt hatte und zu denen er mir bereits vor Jahren sein Material anvertraute. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.
Werner Vogel wird mir vor allem durch seinen guten menschlichen Umgang mit den Mitarbeitern, der die Arbeitsatmosphäre im Geheimen Staatsarchiv stark prägte, immer in guter Erinnerung bleiben.